Die Effizienz unseres neuralen Systems wird meist unterschätzt. Wir sind zu sehr damit beschäftigt, unsere Muskeln hypertrophieren zu lassen und unser Herz herauszufordern, um die VO2max zu verbessern. Unsere Koordination bleibt aber so auf der Strecke.
Wenn Du aber wirklich stark werden möchtest, und ich meine unheimlich stark, dann solltest Du dich auch mit den Aspekten deines Nervenkostüms auseinandersetzen. Es ist nämlich der eigentliche Antreiber. Es ist es, was uns super funktional macht, wenn wir es richtig trainieren.

Das Problem mit Isolationsübungen
Vorab möchte ich sagen, daß Isolationsübungen ihre Daseinberechtigung haben, wenn man sie gezielt einsetzt für bsp. Bodybuilding und Hypertrophie.
Wenn ich aber jetzt einmal komplett davon absehe, einfach nur große Muskeln haben zu wollen, damit ich imposant aussehen kann und hin gehe zur Ausbildung meiner Muskeln, um superstark zu werden, haben Isolationsübungen nichts mehr in meinem Trainingsplan zu suchen.
Nehmen wir den Bodybuilder, der eine Menge an Isolationsübungen absolviert, um bestimmte Muskeln herauszuarbeiten und vergleichen ihn mit einem Kampfsportler.
Wenn mir beide optisch erst einmal gegenüberstehen würden, hätte ich als Laie wohl erst einmal mehr Angst vor dem Bodybuilder, der mit schierer Masse beeindruckt.
Deine Aufmerksamkeit sollte sich aber immer auf den Kampfsportler richten. Im Vergleich haben beide Sportler nämlich wesentliche Unterschiede. Die des Kampfsportlers können wesentlich mehr Kraft und Power aufbringen, als die des Bodybuilders.

Warum ist ein Kampfsportler stärker?
Auf die Frage kann man nur mit dem Finger auf die Isolationsübungen zeigen und sagen „Sie sind schuld!“
Der Glaube, daß man einzelne Muskeln gezielt stärker und größer machen kann, ist ein Irrglaube. Natürlich ist der Muskel isoliert betrachtet stärker, aber im Zusammenspiel mit dem Rest des Körpers nur ein einsamer dicker Muskel.
Der Kampfsportler hat aber gelernt, eine Kettenreaktion in seinem Körper zu aktivieren, die sich in einer schlussendlichen Entladung von explosiver und zerstörerischer Kraft äußert.
Wie reagiert Dein Gehirn auf Training?
Training bedeutet, seinem Gehirn neue Skills beizubringen, indem man bsp. Bewegungsmuster immer und immer wiederholt. Dabei verfeinert das Gehirn seine Bewegungsabläufe immer mehr. Die Bewegungen werden effizienter.
Das geschieht, indem das Gehirn über das neuronale Netzwerk immer wieder Signale an die Rezeptoren der Muskeln schickt, ein Feedback erhält, evaluiert, um dann wieder ein verfeinertes Signal abzugeben und so weiter.

Hierbei wird ständig abgeklärt , ob man auch andere Muskeln/-anteile mit einbeziehen sollte und wenn ja, mit welcher Intensität.
Das einzige was Dein Gehirn nämlich erreichen will ist Effizienz. Und dies ist die neuronale Effizienz in der motorischen Geschicklichkeit und korreliert mit Stärke, Beweglichkeit, Geschwindigkeit und allgemeiner Leistung (Studie).
Mit anderen Worten, unsere Bewegungen definieren unsere Stärke und Kraft. Unser Gehirn ist ständig damit beschäftigt, uns davor zu bewahren, hinzufallen.
Jeder Schritt, den wir tun, erfordert mathematische Berechnungen, die uns bewußt erlebt zum weinen bringen würden.
Durch Erfahrungen und Trial and Error hat unser Gehirn aber gelernt, exakt die richtige Dosis an Kraft und Koordination über unsere Nerven an die Muskeln zu senden. Und das geschieht rund um die Uhr oder 24/7 wie es so schön heißt.
Beim Bodybuilder hat das Gehirn spezifisch nur gelernt, den einen Muskel zu kontrahieren. Das ist auch zielführend für Wettkämpfe. In einer alltäglichen Situation ist er aber aufgeschmissen bzw. stellt sich doofer an als man vermuten sollte.
Das liegt an den nicht vorhandenen Signalen. Die neuronale Koordination ist nicht ausreichend entwickelt.
Kampfsportler hingegen haben gelernt, auf unterschiedlichste Anforderungen zu reagieren. Allein ihre optische Aufmerksamkeit ist geschult und läßt Bewegungen in einer abnormen Geschwindigkeit initialisieren.
Kampfsportler sind im Ansatz multifunktional. Sie sind koordinativ überlegen.
Ihr Gehirn hat gelernt genau die Dosis an Energie an die Muskeln zu senden, um das gewünschte Ziel zu erreichen.
Wenn man sich alte Aufnahmen von Bruce Lee ansieht, in denen er mit so gut wie keiner Bewegung Kraft durch seine Gliedmaßen treibt, ist schon beeindruckend.
Wie bewegen wir uns?
Nehmen wir als Beispiel das Bankdrücken. Es ist eine sehr bekannte und auch beliebte Übung, um die Brustmuskulatur, Trizeps und anteilig die vorderen Schultermuskeln zu trainieren.
Man liegt auf dem Rücken auf einer Bank und drückt die mit Gewicht beladene Langhantel von sich weg, Richtung Decke. Es ist eine Drückbewegung.
Macht sie mich gleichzeitig stärker, wenn ich beispielsweise ein Auto wegschieben muß?
Oh, das Auto ist zu schwer? Nun, jemand steht dir gegenüber und kommt dir zu nahe. Es ist bedrohlich. Du willst Distanz schaffen und drückst ihn weg.
Hilft Dir das Training vom Bankdrücken?
Nur sehr sehr gering bis gar nicht.
Was Du tatsächlich brauchst, um jemanden oder etwas (es ist egal ob Mensch oder Auto), sind ganze Ketten an Muskeln, die alle unterschiedlich stark beansprucht werden müssen. Alles steuert dein Gehirn.
Solltest Du so eine Bewegung noch nie gemacht haben, fängt Dein Gehirn sofort an zu lernen. Die Feedbackschleifen werden verstärkt. Du machst gerade Erfahrungen.
Dein neuronales Netz wird aktiv und läuft auf Hochtouren, damit Du in der Zukunft besser mit der Situation klar kommst.
Solltest Du jetzt zum ersten Mal allein mit gewaltsamen Situationen konfrontiert sein, hast Du in der Tat ein Problem. Das ist auch der Grund, warum ich dafür bin, daß jeder (!) Selbstverteidigung lernen sollte.
Aber kommen wir zu schieben zurück. Und jetzt schieben wir ein Auto. Schon mal gemacht? Geh einfach an eine Wand und versuche sie wegzudrücken. Spüre einmal welche Muskeln sich alles anspannen.
Mache eine kurze Pause und dann noch einmal. Du wirst schon eine Veränderung spüren.
Dein Gehirn rechnet und sendet jetzt kontinuierlich Signale an deine Muskeln. Dein neuronales Netz wird damit trainiert.
Deine Koordination
Deine neuronale Koordination kann dir ein Maximum an Kraft und Power verleihen. Sie ist, wie alles im aktiven und passiven Bewegungsapparat trainierbar.
Und sie ist ein Faktor, der oftmals ein Nischendasein fristet, da ein Teil ja sowieso durch den Sport von allein passiert.

Das gezielte Training allerdings kann dich wesentlich weiter bringen in deinem Fortschritt, als Kommissar Zufall. Deine Koordination wird einen Schub bekommen.
Kampfsportler gehören mit zu den koordinativen Spezialisten. American Footballspieler im Übrigen auch.
Kampfsporttraining in dein spezifisches Training einfließen zu lassen ist daher klug und sollte versucht werden. Dein Gehirn dankt es mit mehr Effizienz. Dein Körper mit mehr Koordination.
